19. Januar 2014

Das Leben, die Liebe und eine falsche Identität?

Buchvorstellung:
Eine berufliche Herausforderung führt Katharina nach Kolumbien. Jahrelang hatte sie von einer solchen Gelegenheit geträumt. In Bogotá soll sie gemeinsam mit der dort ansässigen Firma Vassquéz einen Geschäftszweig aufbauen, um den Export von Tropenhölzern zu reduzieren. Nach einigen Hindernissen lernt sie ihren attraktiven Geschäftspartner Antonio Nicoljaro, der im Rollstuhl sitzt, näher kennen und verliebt sich in ihn. Verwirrt und am Ende ihrer Kraft erreicht Katharina nach einer Entführung die Firma Vassquéz. Antonio umsorgt sie hingebungsvoll und überrascht sie mit einem traumhaften Wochenende. Zwei Tage dem Ausflug wird Antonio bei einer Explosion unter den Trümmern seines Hauses begraben und schwerverletzt geborgen. Kurz darauf verschwindet Antonio aus dem Krankenhaus. Auf der Suche nach ihm stößt Katharina auf verblüffende Tatsachen. Antonio Nicoljaro starb im Alter von fünf Jahren.
Wer ist der Mann wirklich, der mit der Identität eines toten Kindes lebt?


¿Identität? gibt es als »Teil 1 Sehnsucht« und als »Teil 2 Vergessen«, sowie als als Gesamtausgabe (Sehnsucht und Vergessen). 

Rezensionen sind mir sehr willkommen.

Leseprobe aus dem 1. Kapitel:
Fünf vor Neun stand Katharina vor dem Hotel. Die Sonne schien zwischen vereinzelten weißen Wolken hervor, die langsam über den blauen Himmel zogen. Dieser Anblick versprach einen freundlichen Tag. Sie sah die Straße hinunter, ob sie den dunkelgrünen Lada Niva von gestern wiedererkannte. Zahlreiche Autos düsten an ihr vorbei.
Ungeduldig schaute sie immer wieder auf die Uhr ihres Handys. Zweifel kamen auf, ob sie alles richtig verstanden hatte. Diese Präsentation war zu wichtig, um sie zu verpassen! Ihre Finger zitterten vor Aufregung. Plötzlich hielt ein dunkelblauer Nissan Patrol mit quietschenden Reifen direkt vor ihr. Die Scheibe der Beifahrertür war unten und der Fahrer beugte sich zu ihr rüber. »¡Buenos días, Señora!«
»¡Buenos días, Señor!« Ihr fiel ein Stein vom Herzen, und sie stieg ein.
»¡Disculpe, mein Wagen streikt.«
Sie sah sich um. Das Auto hatte zwar auch schon einige Jahre hinter sich, wirkte jedoch vertrauenserweckender als der Lada.
»Ausgerechnet heute«, knurrte Muñoz. »Haben Sie gut geschlafen?«
»Es ging so! Alles noch recht ungewohnt.«
»Die Höhenluft macht vielen anfangs zu schaffen.« Er musterte sie kurz.
»Daran werde ich mich gewöhnen.«
»Ich weiß, diese Präsentation ist sehr wichtig für Sie.« Der Fahrer achtete auf den zähflüssigen, meist stockenden Verkehr, warf ihr nur flüchtige Blicke zu. »Die Verbindung nach Deutschland ist für Vassquéz ein bedeutender Schritt und würde uns damit einen internationalen Ruf verschaffen.«
»¡Sí!«
Er lächelte, schien sich über die knappe Antwort zu amüsieren. »Ich stehe Ihnen zur Seite, wenn Sie etwas nicht verstehen und wenn Sie Fragen haben.«
»¡Gracias!«
Señor Muñoz wirkte nervös, offenbar arbeitete er bei Vassquéz nicht nur als Fahrer und hegte, aus welchem Grund auch immer, großes Interesse an diesem Geschäft. Sie wollte sich aber davon nicht beeinflussen lassen und schaute aus dem Fenster, ohne wirklich hinzusehen. Ihre Anspannung stieg. Ihr Chef in Deutschland hatte sich nach mehreren Verhandlungsgesprächen über Vassquéz ein fundiertes Urteil gebildet, doch die endgültige Entscheidung sollte Katharina treffen. Schließlich lag es anschließend in ihren Händen, die Umsetzung des geplanten Projektes durchzuführen. Sie war befugt, das Konzept entweder abzulehnen oder den vorbereiteten Vertrag mit Vassquéz zu schließen. Im ersten Fall müsste sie schneller abreisen, als ihr lieb war. Für sich, für ihre Träume, hoffte sie natürlich, dass die bevorstehende Präsentation überzeugend war.

Auf einem Hinterhof relativ moderner Geschäftshäuser mit einer großzügigen Fensterfront parkte Muñoz den Wagen. Flüchtig sah er beim Aussteigen auf die Uhr. »Kommen Sie!« Er wies auf das Vorderhaus. Am Eingang stand ein Angestellter in einem grauen Anzug und hielt die Glastür offen.
»Gracias, Enrique«, warf ihm Señor Muñoz beim Vorbeigehen entgegen. Enrique antwortete mit einer Aussage, die »Sie warten schon …« heißen konnte. Katharina zog ihr Handy aus der Tasche und schaltete es aus. Jede Ablenkung wollte sie ab jetzt vermeiden.
Ihr Begleiter zeigte auf den Fahrstuhl. »¡Pase usted! Nervös?« Er sah ihr zunächst ins Gesicht und drückte anschließend auf den obersten Knopf: Etage 5.
»Un poco«, flüsterte sie. Ihr schneller Herzschlag war sicherlich deutlich zu hören.
In Gedanken versuchte sie, sich Señor Nicoljaro vorzustellen. Ein älterer gepflegter Señor, Mitte Fünfzig, bestimmt ein bisschen versnobt wie die meisten Geschäftsführer, die sie bisher kennengelernt hatte.
Die Fahrstuhltür schob sich zur Seite und gab den Blick auf einen hellen Vorraum frei, in dem eine ausladende Grünpflanze vor einem bodentiefen Fenster stand. Von den vier Türen öffnete sich die linke, mittlere, und ein Señor, ungefähr Ende Dreißig mit kantigen Gesichtszügen, reichte ihr die Hand zur Begrüßung. »¡Encantado! Ich bin Señor Sánchez. Bitte kommen Sie.« Hörbar hatte er Mühe, die deutschen Wörter auszusprechen. Er führte Katharina in einen großen Konferenzraum mit einer breiten Fensterfront sowie einer weiteren Tür. An dem ovalen Tisch in der Mitte des Raumes saßen zwei Damen und zehn Herren. Jeder erhob sich kurz und nickte Katharina freundlich zu, während Señor Sánchez sie vorstellte, ihre jeweilige Funktion erklärte und wie lange sie bereits für Vassquéz tätig waren. Katharina musste sich konzentrieren, um seinem spanischen Akzent folgen zu können. Keiner der Angestellten war weniger als fünf Jahre in der Firma. Das sprach für ein gutes Betriebsklima.
Der leere Platz am schmalen Bogen des ovalen Tisches machte Katharina bewusst, dass Señor Nicoljaro offenbar keine Notwendigkeit sah, an diesem Treffen teilzunehmen. Das missfiel ihr.
»¿Le gustaría un café o agua?«, fragte Señor Sánchez und wies ihr den einzig freien Stuhl zu.
»Agua, por favor.« Sie setzte sich hin, warf dabei einen flüchtigen Blick auf die Lücke, zwei Stühle links von ihr. Sie fühlte sich verunsichert, ja fast gekränkt, dass sich Señor Nicoljaro nicht einmal entschuldigen ließ, und überlegte, nachzufragen, entschied sich dann aber, abzuwarten. Sie legte ihren Schreibblock und ihr Laptop auf den Tisch, während Señor Sánchez aus einer Wasserflasche ein Glas voll goss und  vor ihr auf den Tisch platzierte.
Anschließend schaltete er den Beamer an, zog die Leinwand rechts vor ihr herunter und die dunkelblauen Vorhänge vor die Fenster.
Katharina drehte sich ein kleines Stück nach rechts, damit sie bequem die Präsentation sehen konnte.
Señor Sánchez ging auf die gegenüberliegende Seite der Leinwand und startete mit seinem Laptop die Vorführung.
Für Katharina war sie ansprechend gestaltet, erklärt wurde auf Englisch, was ihr sehr entgegen kam. Ihre Spanischkenntnisse hätten dafür nicht ausgereicht. Sie bekam einen aufschlussreichen Überblick über das Verfahren, die Verfertigung und das Material. Der Vertrieb würde sich auf ganz Südamerika erstrecken. Durch die neue Technik mit einer realen Holzoptik war der große Hersteller in den USA kein wirklicher Konkurrent. Bisher klang das Konzept recht überzeugend.
Zwischendurch notierte sie sich ein paar Stichpunkte, zu denen sie später Näheres erfragen wollte. Die meisten Formulierungen dazu hatte sie bereits im Kopf. Trotzdem war es praktischer, bei ihrer Aufregung ihre vorbereitete Liste zur Hilfe zu nehmen, um nicht am Ende etwas Bedeutendes zu übersehen.
Nach zwanzig Minuten zog Señor Muñoz die Vorhänge zurück.
»Ich hoffe, Sie konnten folgen?«, fragte Señor Sánchez und ging um den Tisch herum auf die Leinwand zu.
Katharina nickte, klappte ihren Laptop auf und schaltete ihn an. Manche Fragen stellte sie, obwohl sie die Antworten im Voraus kannte. »Diese spezielle Mischung aus Holz und Polymeren ist laut Ihrer Darstellung die Erfindung von Vassquéz?«
Señor Sánchez lächelte, als habe er mit dieser Äußerung gerechnet. »Unsere Firmenphilosophie begleitet uns seit mehreren Jahren. Unser wichtiges Anliegen war und ist, die Verarbeitung tropische Hölzer zu reduzieren. Wir mussten also eine vergleichbare Alternative schaffen.«
Katharina hörte ihm aufmerksam zu.
»Mit diesem Gedanken entwickelten wir unser ›Gigawood-Projekt‹. Anfangs wurden wir belächelt, keiner war bereit, uns zu unterstützen, geschweige denn, uns zu finanzieren. Wir sahen uns gezwungen, das Vorhaben vorerst zu verschieben, bis eine deutsche Firma Interesse bekundete.«
Katharina strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Endlich kam Señor Sánchez auf den Punkt.
»Diese Methode eines Tages selbst verwenden zu können, haben wir uns bei den Verhandlungen seinerzeit vorbehalten. Die meisten Kunden vermissen bei der derzeitigen Ausführung das typische Holzmuster, die Lebendigkeit der Holzmaserung, und genau das werden wir mit unserer neuen Technik dem Käufer bieten.«
Katharina sah auf ihre Liste. Ganz oben stand eine Frage ihres Chefs, die ihr unangenehm war. Sie atmete tief, um Mut zu sammeln. »Für eine Firma, die internationale Geschäfte tätigt, präsentieren Sie sich hier in diesem Gebäude eher bescheiden.« Sie trank ein Schluck Wasser. Im Augenwinkel sah sie plötzlich, dass der leere Platz am Tisch inzwischen besetzt war. Sie hatte niemanden beim Hereinkommen bemerkt, geschweige gehört, dass man einen Stuhl dazu gestellt hatte. Zunächst ließ sie sich nicht irritieren.
»Señora!« Ihr Gesprächspartner klang leicht verärgert. »Wir sind an der Zweckmäßigkeit unseres Projektes interessiert, halten an unserer Firmenphilosophie fest. Sollte das für Ihr Unternehmen ein Problem sein, dann ...«
Sie hob ihre Hand, um die Situation zu beenden. »Genau das wollte ich von Ihnen hören!« Sie lächelte Señor Sánchez an, dabei entging ihr nicht, wie er sich mit jemand zu ihrer Linken still verständigte.
»Verzeihen Sie, Señora Clausen«, hörte sie eine angenehme dunkle Männerstimme. Sie schwenkte ihren Blick nach links. »Señor Nicoljaro.« Der Mann reichte ihr die Hand über den Tisch.
Sie war zu überrascht, um ihm eine passende Antwort zu geben. Der Kerl hatte nicht einmal den Anstand aufzustehen. Sie ergriff flüchtig seine kräftige Hand und sah ihm derweil bewusst ins Gesicht. Seine großen blauen Augen musterten sie.
Er war bestimmt erst Ende Dreißig, Anfang Vierzig vielleicht. Sein gepflegter Dreitagebart schmeichelte seinem schmalen Kinn. Seine Gesichtszüge waren männlich, aber nicht kantig. Lediglich über der Stirn trug er seine kurzen braunen Haare etwas länger, wo sie bis zu den dichten Augenbrauen hingen. Obwohl Katharina blaue Augen eigentlich nicht anziehend fand, war diese Kombination mit der dunklen südamerikanischen Haut auf ihre Art faszinierend. Sie spürte, wie eine Gänsehaut ihren Körper überzog.
»Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen.« Señor Nicoljaro lächelte, dabei entstanden kleine Lachfalten in den Augenwinkeln. »Ihre Frage diente vermutlich der Überprüfung unserer Glaubwürdigkeit. Herr Klesse schien genau das an Vassquéz zu schätzen!« Sein Deutsch war auffallend sauber.
»So ist es!« Es gab für sie keinen Anlass, darauf einzugehen. Katharina sah auf ihren Bildschirm, um sich dem nächsten Punkt, dem Produktionsstandort, zu widmen. Señor Nicoljaro gelang es in dem folgenden Gespräch, sämtliche Bedenken, die sie heute Morgen noch hatte, auszuräumen. Dem Vertrag stand nichts mehr im Weg. Zur Sicherheit überprüfte sie ein letztes Mal ihre Liste sowie ihre Stichpunkte, die sie während der Präsentation gemacht hatte.
»Señora Clausen?« Señor Nicoljaro wartete, bis sie ihn ansah. »Konnten wir Sie überzeugen oder haben Sie weitere Fragen?«
Sie klappte den Laptop zu, warf einen flüchtigen Blick auf ihren Block. Das war zu einfach … Zweifel tauchten für den Bruchteil einer Sekunde auf. War ihr Wunsch, in Kolumbien zu bleiben, so groß, dass sie vielleicht nicht objektiv genug war? Nein! Das Projekt hatte Zukunft, es musste funktionieren.
»Wenn Sie wünschen, geben wir Ihnen Bedenkzeit«, bot Señor Nicoljaro an.
»¡Gracias! Das ist nicht nötig.« Sie trank ihr Glas leer und zog den Hefter unter ihrem Schreibblock hervor, in dem die vorbereiteten Verträge lagen. »Sie haben mich überzeugt.« Sie reichte ihm die Hand und stand auf.
Señor Nicoljaro blieb sitzen. Er sah für den Augenblick, als er ihr die Hand schüttelte, eher erschrocken als erfreut aus. »Großartig!« Seine Stimme zitterte leicht.
Katharina nahm wieder Platz. War es hier nicht üblich, zum Vertragsabschluss aufzustehen?
Señor Nicoljaro schaute in die Runde, wandte sich seinen Angestellten zu. »¡Gracias!« Er bedankte sich für die gute Vorbereitung und bat für die künftige Zusammenarbeit um hundertprozentigen Einsatz. Er erwarte von allen, Señora Clausen in jeder Hinsicht zu unterstützen. Katharina konnte seiner kleinen Ansprache gut folgen, da er langsam sprach. Ein kurzer Beifall folgte.
»Bitte entschuldigen Sie meine Mitarbeiter!« Señor Nicoljaro wirkte jetzt sehr angespannt, dabei hatte er doch sein Ziel erreicht.
»Selbstverständlich!« Sie strich sich ihre widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Unterdessen verließen die zwölf Angestellten den Konferenzraum. Señor Muñoz räumte die Leinwand und den Beamer zur Seite, und Señor Sánchez öffnete unter der Anrichte eine Tür und stellte eine Flasche Sekt und vier Gläser auf den Tisch.
»Wir würden gern auf unsere Zusammenarbeit anstoßen. Ist Ihnen das recht, Señora?«
Was hatte dieser Kerl nur an sich, das ihn so sympathisch machte? Erst kam er zu spät, entschuldigte sich nicht einmal dafür und zeigte ihr dann nicht den nötigen Respekt, hatte sie einfach stehen gelassen. Katharina ärgerte sich. »¡Sí!« Sie nahm ihr Handy aus der Tasche und schaltete es ein. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment!« Sie lief zum Fenster, sah auf die vielbefahrene Straße hinunter. Auf ihrer Uhr war es 12 Uhr, in Deutschland damit fünf Stunden später. Sie teilte ihrem Chef, der noch immer wegen seiner Herzprobleme im Krankenhaus lag, ihre Entscheidung mit. Er klang sehr zufrieden und wünschte ihr weiterhin gutes Gelingen. Beim Ausschalten des Handys fiel ihr Blick auf die leere Stuhlreihe auf der Tischseite, wo nur noch Señor Nicoljaro saß. Zwischen den verchromten Stuhlbeinen, die durch die Sonne aufblitzten, funkelten die Speichen eines Rollstuhls. Hastig drehte sie sich zum Fenster um. Hoffentlich hatte keiner ihr blödes Gesicht gesehen, das sie soeben zweifelsohne gehabt haben musste.
Jetzt war ihr natürlich klar, warum an dieser Stelle kein Stuhl stand. Deshalb war er nicht von Anfang an dabei, er fühlte sich vielleicht unwohl, als Einziger sitzenbleiben zu müssen. Ihr Mund war plötzlich trocken. Mit ihrer Geste, aufzustehen, hatte sie ihn vermutlich in eine unangenehme Situation gebracht.
»Alles in Ordnung, Señora?«, fragte Señor Muñoz.
»¡Sí!«, antwortete sie schnell, damit niemand auf die Idee kam, ihr könnte gerade etwas aufgefallen sein. Hörbar trat der Korken aus dem Flaschenhals.
Sie wandte sich lächelnd um. »Die besten Empfehlungen von Herrn Klesse!« Sie wählte den Weg um den Tisch, den sie gekommen war, legte ihr Telefon ab und setzte sich, um die Papiere zu unterzeichnen. Anschließend schob sie Señor Nicoljaro die Dokumente zu. »Herr Klesse ist mit Ihnen den Vertrag bereits durchgegangen, richtig?«
»Das ist er, Señora.« Er sah sie an, sodass ihr fast schwindlig wurde und sie sich für ihre Gedanken schämte. Endlich nahm er den Blick von ihr und unterschrieb nach flüchtigem Sichten den Vertrag. Dann gab er ihr die Papiere zurück. Katharina überprüfte nochmal das Datum und die Unterschriften und besiegelte das Geschäft ein weiteres Mal mit einem Händedruck, diesmal jedoch im Sitzen. »Auf gute und erfolgreiche Zusammenarbeit, Señor Nicoljaro!« Ein Exemplar gab sie ihm in der vorgesehenen Mappe zurück. Erneut sah er sie intensiv an. Señor Sánchez reichte ihr ein Glas Sekt.
»¡Gracias!« Sie konnte kaum abwarten, zu trinken, ihr Mund war noch immer trocken.
Die drei Männer hielten ihr ihre Gläser entgegen, »Auf unseren gemeinsamen Erfolg!« Señor Nicoljaro zwinkerte ihr mit dem rechten Auge zu, dabei zeichnete sich eine helle Narbe auf dem Wangenknochen ab.
Katharina spürte ein merkwürdiges Kribbeln im Bauch, das sie seit einer Ewigkeit nicht mehr verspürt hatte. Innerlich schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Señor Nicoljaro war ein attraktiver Mann, der trotz seines Rollstuhls bestimmt längst vergeben war. Seine Freundlichkeit spiegelte vermutlich nur den erfolgreichen Vertragsabschluss wider und hatte mit ihrer Person rein gar nichts zu tun.
»Señor Sánchez, mein Stellvertreter«, Señor Nicoljaro stellte das Glas auf dem Tisch ab, »wird Sie herumführen und Ihnen alles zeigen. Señor Muñoz ist für die Organisation zuständig. Er wird Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
Señor Muñoz trank sein Glas aus. »Ihr Schreibtisch wird morgen fertig sein.«
»Danke.« Katharina verstaute den Vertrag in der Mappe.
»Sowohl an Ihrem Arbeitsplatz als auch in Ihrem Appartement haben sie einen Internetanschluss. Herr Klesse bestand darauf. Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen.« Señor Nicoljaro lächelte, wobei wieder die kleinen Lachfalten in den Augenwinkeln entstanden.
Katharina nahm ein unbeschreibliches Glücksgefühl wahr, von dem sie nicht wusste, woher es kam. »Bisher habe ich daran keinen Zweifel.«
»Señor Muñoz wird Sie nachher ins Hotel zurückfahren.« Señor Nicoljaro nippte an seinem Sektglas. »Ich möchte Ihnen noch ein paar Dinge ans Herz legen. Wenn Sie sich allein auf den Weg durch Bogotá machen, können Sie den TransMilenio nutzten, allerdings lauern an den Haltestellen sowie in den überfüllten Bussen Taschendiebe. Leider ein großes Problem hier in der Stadt. Seien Sie bitte vorsichtig und tragen Sie möglichst wenig Schmuck.«
»Ich fahre Sie gern durch die Gegend, Señora.« Señor Muñoz stand auf. »Entschuldigen Sie mich!« Er ging hinaus.
»Nutzen Sie sein Angebot!« Señor Nicoljaro zwinkerte ihr zu. »Um die Stadt und ihre Tücken kennenzulernen, ist man an der Seite eines Einheimischen in bester Gesellschaft.«
Katharina nickte, es hatte sich in all den Jahren also nicht viel verändert. Sie leerte ihr Glas. Señor Sánchez wollte nachschenken. »Danke!« Sie hob ihre Hand. »Ich hab genug!«
»Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen jetzt alles.« Señor Sánchez stellte die Flasche zur Seite.
»Sehr gern! Als Erstes bräuchte ich eine Toilette.«
Señor Sánchez öffnete ihr die Tür. »Kommen Sie bitte!«
»Bis später!« Sie stand auf und warf Señor Nicoljaro ein Lächeln zu, als sie hinausging.