3. März 2015

2. Teil - Fragwürdige Identität


Vorschau auf   Teil 2 


Vater

Der Geruch von Benzin und Rauch lag in der Luft. Langsam beruhigte sich der Wellengang, der durch die Explosion ausgelöst worden war. Hektisch schwamm Nicolás suchend zwischen den brennenden Wrackteilen hin und her. Irgendwo mussten Falicia, Juan und die Crew-Mitglieder sein. „Nicolás!“ Jemand fasste ihn am Nacken. „Hier ist niemand mehr, für den du etwas tun könntest.“ Andrés versuchte, ihn aus dem Chaos herauszuziehen. Nicolás befreite sich, „hilf mir suchen!“ Erneut packte Andrés ihn am Arm. „Nicolás! Das hat keiner überlebt!“ „Das kannst du nicht wissen!“ „Sieh dich doch nur um! Du bringst dich sinnlos in Gefahr!“ Andrés‘ Griff wurde fester. „Komm jetzt!“ Energisch schüttelte Nicolás die Hand des Leibwächters seines Vaters ab. „Ich muss Falicia und Juan suchen!“ „Sei vernünftig, Nicolás!“ Andrés ergriff abermals seine Schulter, „du solltest gar nicht hier sein!“ „Vorsicht! Links!“, rief jemand. Aus den Augenwinkeln erfasste Nicolás ein brennendes Wrackteil, welches zur Seite kippte und geradewegs auf ihn zu fallen drohte. Instinktiv tauchte er unter und wich dabei der direkten Gefahr aus. Er spürte noch ein Brennen am linken Schulterblatt, dann wurde er mit einem kräftigen Griff am rechten Oberarm zur Seite und an die Wasseroberfläche gezogen. „Komm zur Vernunft!“ Rodrigo fasste ihn grob an die Kehle. Mit seiner Linken versuchte Nicolás, sich von Rodrigos Hand an seinem Hals zu befreien, gleichzeitig drehte Andrés ihm jedoch seinen rechten Arm auf den Rücken, bis Nicolás aufstöhnte. Rodrigo kam mit seinem Gesicht so nah an Nicolás‘ heran, dass er seinen Atem spürte. „Beruhige dich! Du machst niemanden lebendig, wenn du dich selbst in Lebensgefahr begibst!“  Nur geringfügig lockerten die beiden ihre Griffe, schleppten ihn aus dem flammenden Chaos heraus. „Falicia!“, hörte er sich flüstern. Damit wurde ihm bewusst, dass seine Frau, sein bester Freund tot waren, sein Zuhause zerstört. Vor seinem geistigen Auge sah er diesen Arm ohne Körper vor sich, an dem blutiges Fleisch, Sehnen und Knochensplitter herausquollen. Er hatte so unwirklich ausgesehen, als sei es ein Requisit aus einem Horrorfilm. Das konnte nicht die Realität sein, wahrscheinlich war das alles nur ein lebhafter Traum. „Mi Amor“, glaubte er Falicia flüstern zu hören. Er dachte an die innigen Küsse, mit denen sie ihn im Krankenhaus begrüßt hatte, an das wohltuende Gefühl, umsorgt zu werden. „Nicolás!“, beförderte ihn eine energische Stimme neben ihm in die Wirklichkeit zurück. Rodrigos Hand war von seiner Kehle verschwunden und Andrés schob ihn zur Schwimmplattform der Yacht seines Vaters. „Bist du in Ordnung?“ „Sí!“, hörte sich Nicolás antworten. Er fühlte sich seltsam, sein eigener Körper war ihm augenblicklich fremd. Mechanisch zog er sich aus dem Wasser, blieb benommen am Rand der Plattform sitzen und starrte fassungslos auf die überall verstreuten Reste der Yacht, welche einmal sein Zuhause gewesen war. Eines der brennenden Wrackteile verglimmte im selben Moment, als sein Blick darauf fiel, und schien mit den seichten Wellen in der Dunkelheit zu verschmelzen. „Das hätte nicht passieren dürfen!“, vernahm er die Stimme seines Vaters über sich. „Heilige Mutter Gottes!“ Sein Vater näherte sich ihm. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Erst jetzt bemerkte er, wie stark er zitterte und wie kalt es ihm war. Sein Vater berührte ihn an den Schultern. „Nicolás? Sieh mich an!“ So sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, sich umzudrehen. „Er wird einen Schock haben!“ Das war Catalinas Stimme. Sie hockte sich neben ihn, ergriff seine Linke und entnahm seinem Zeigefinger einen Blutstropfen. „Don Nicolás? Sehen Sie mich an, por favor!“ Endlich löste er seinen Blick aus der Unendlichkeit, schien aus seiner Starre herauszukommen. Catalina sah ihm prüfend in die Augen. Obwohl er sie vor sich sah, meinte er, sie wäre meilenweit entfernt. Dieses Unglück schien etwas tief Verborgenes in ihm wachzurufen, das ihm den Atem raubte.


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